Page 22 - Jagd-Teckel III-2023
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Otto – oder was kost´ der Dackel

          huschte. Ich sprang fluchend zurück und sah gerade noch einen keckernden
          Jungdachs im Schwarzdorn verschwinden. Der hatte sich diesen kalten Febru-
          artag sicher auch ganz anders vorgestellt. Nochmal in das Loch zu leuchten,
          hatte ich jetzt keine Lust mehr und ich fuhr mit dem Auto wieder zum Gully im
          Straßengraben an der Kreisstraße. Totenstille als ich meinen Kopf in den Gully
          steckte. Keine Spur von Otto. Ich beugte mich so weit es ging in den Gully
          hinein und rief nach Otto. Nichts passierte. Plötzlich hörte ich ein Auto brem-
          sen, sah aus dem Gully heraus einen Lichtschein. Die Autotür knallte zu. Eine
          piepsende Frauenstimme fragte, ob etwas passiert sei.  Ach du Schreck – daran
          hatte ich gar nicht gedacht, was es wohl für einen Eindruck auf die Autofahrer
          macht, wenn dicht neben der Straße ein Mann kopfüber bis zum Bauchnabel in
          einem Gully steckt und permanent „Otto komm“ brüllt. Ich quälte mich aus dem
          Gully. Nein, Nein, alles in Ordnung, wir brauchen keine Polizei und auch keine
          Feuerwehr beeilte ich mich so freundlich wie möglich zu sagen. Heute glaube
          ich, es war keine besonders freundliche Antwort. Erleichtert verschwand die
          Frau schnell wieder und ich war im Dunkeln allein. Langsam kam Panik auf, als
          ich mir vorstellte, dass Otto irgendwo in dem 60 m langen Durchlass tief unter
          dem Bahnhofsgelände in einem Schacht sitzt und nicht herauskommt.

          Ein letztes Mal wollte ich am Auslass unterhalb der Kreisstraße nachschauen
          und hineinleuchten. Und tatsächlich, plötzlich sah ich ein Augenpaar blitzen.
          Ich räumte mit bloßen Händen die abgelagerte Erde weg und leuchtete in das
          Rohr. Otto. Ein Stein fiel hörbar vom Herzen. Nach wenigen Minuten hatte ich
          den Auslass freigebuddelt und Otto im Arm. Er war nach gut 8 Stunden unter
          Tage zwar fix und fertig, aber offenbar guter Laune. Wie immer nach einem
          Baubesuch. Nur der Fang und sein Haupt waren diesmal arg lädiert. Wir fuhren
          heim und ich hatte mir, zur Abschreckung wie ich dachte, angewöhnt Otto eine
          Waschung mit kaltem Wasser zu verpassen. Otto hasste diese kalten Duschen.
          Zum Schluss gab`s die obligatorische Ansprache, die dann meist in dem Satz
          gipfelte „Hoffentlich hast Du heute was gelernt“. Die Behandlung seines am
          nächsten Tag wirklich schlimm aussehenden Schädels ließ er wie immer stoisch
          über sich ergehen. Vor jedem Tierarzt hatte er gehörigen Respekt. Dass er im
          Laufe der Jahre nicht unbedingt hübscher wurde, störte ihn dabei wenig. Al-
          les heilte schnell ab, Otto war bald wieder voller Tatendrang und fand seinen
          nächsten Fuchsbau oder gelegentlich bei einer Drückjagd auch eine Sau zum
          Reinbeißen. Wenn es in diesen Jahren irgendwo im Schwarzdorn oder unter
          Tage galt, sich eine ordentliche Tracht Prügel abzuholen – Otto war immer einer
          der Hauptverdächtigen.

          Die Jahre vergingen und es kamen gut 200 Drückjagdeinsätze zusammen, bis
          dann in Dezember 2019 nach einem weiteren Dachsbaubesuch während einer
          Drückjagd, mit wieder sehr lädiertem Schädel, offensichtlich bei Otto im zarten
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