Page 20 - Jagd-Teckel III-2023
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Otto – oder was kost´ der Dackel

          immer absolut verträglich. Gut, genau genommen mochte er auch keine Sauen,
          Hirsche, Rehe und schon gar keine Katzen. Seit Ottos Ankunft bei uns waren
          unser Garten und die Nachbarschaft praktisch katzenrein und die Terrasse nie
          mehr voll Katzenkacke. Das kam auch bei den Nachbarn sehr gut an – außer
          bei den Katzenbesitzern, die Otto irgendwie nicht mochten. Jedenfalls stolzierte
          ich damals mit stolz geschwellter Brust ob dieses kleinen wilden Rackers aus
          der Schliefenanlage. Nichtsahnend, was seine offensichtliche Passion für mich
          in den nächsten 10 Jahren bedeuten sollte.


          Ich blättere weiter im Ordner. Schon auf den nächsten Seiten fällt mir eine Tier-
          arztrechnung von über 500,- €  in die Hände. Jagdverletzung / Notdienst steht
          dort als Überschrift. Es waren nur 2 Wochen nach Ottos erstem Baubesuch.


          Ich stand an diesem Jagdtag in einem Fichtenaltbestand. Sehr weit weg hörte
          ich einen Hund. Minuten vergingen, nichts passierte, nur der laut jagende Hund
          kam offenbar näher. Plötzlich knackte es aus der Richtung des Hundegeläuts
          und ein junger 12 – er Kronenhirsch kam langsam und vertraut nur etwa 30
          Schritte quer von mir durchs Unterholz gezogen. Immer wieder blieb er stehen
          und sicherte in die Richtung des ihn offenbar verfolgenden Hundes. Der Hirsch
          war so konzentriert auf den Hund, dass er mich gar nicht bemerkte. Ich hob die
          Waffe, zielte aufs Herz und drückte ab – leider nur in Gedanken - der Hirsch war
          natürlich nicht freigegeben. Meine Bewegung hatte er nicht bemerkt, so sehr
          war der Hirsch auf den Hund fixiert. 1 Minute später war der Hirsch im Unterholz
          verschwunden. Das Hundegebell kam langsam, ganz langsam näher. Es dauerte
          sicher noch 5 Minuten, bis der Hund plötzlich erschien – ach welch Freude, es
          war mein Otto. Lehrbuchmäßig auf der Hirschfährte arbeitend, genau so wie
          man es sich wünscht, wenn das Wild völlig vertraut vor dem jagenden Dackel
          zieht. Es wäre ein Leichtes gewesen den Hirsch zu erlegen. Otto zog so dicht an
          mir vorbei, dass ich ihn leise rufen konnte. Im Gegensatz zum Bau gehorchte er
          über Tage sehr gut und kam sofort. Ich lobte ihn überschwänglich und ließ ihn
          einige Minuten an meinem Stand sitzen. Es war eine halbe Stunde vor Jagdende
          und weil schräg vor mir in der Fichtendickung ein Hund laut war, schickte ich
          Otto dorthin. Das war ein Fehler. In späteren Zeiten habe ich meine Hunde kurz
          vor Jagdende immer am Stand behalten. Allerdings kam es recht selten vor,
          dass sie sich während der Jagd zu mir verirrten. Nach wenigen Minuten kam
          Otto schon wieder aus der Dickung und setzte sich ganz dicht an mein Bein. Die
          Jagd war bald zu Ende und wir liefen gemeinsam zum Auto. Beim Hochheben
          hatte ich plötzlich Blut an der Hand und mit Entsetzen sah ich an Ottos linker
          Bauchseite eine ca. 6 cm offene Schlagwunde die bis auf die Knochen reichte.
          Da war wohl ein Keiler in der Dickung. Sofort zum Tierarzt, Notoperation. Otto
          war, wie fast immer bei seinen Jagdverletzungen, erstaunlicherweise innerhalb
          weniger Tage wieder fit und schien die Wunde kaum zu spüren.
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