Page 21 - Jagd-Teckel III-2023
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Otto – oder was kost´ der Dackel
Zurück in meinem Aktenordner. Es folgen verschiedene Tierarztrechnungen,
viele für Standartbehandlungen, viele aber auch für die Behandlung von Fuchs-
beißereien, die sich damals bei Otto wachsender Beliebtheit zu erfreuen schie-
nen. In dieser Zeit lernte ich in unserem Revier viele mir bisher unbekannte
Wegdurchlässe und Fuchsbaue kennen - und die im Nachbarrevier gleich mit.
Dazu muss man wissen, dass ich Otto selten oder nie an der Leine führte. Mit
etwa 4 Jahren hatte er sehr guten Appell und ich konnte ihn auch hinter dicht
vorbeiflüchtendem Wild abrufen. Nur bei Fuchswitterung funktionierte das nicht
und unter Tage galten andere Regeln. Seine. Standartmäßig hatte ich damals
nach jeder Fuchs- oder Dachsbeißerei etwa 100,- € weniger auf dem Konto –
die Tierärzte in unsrer Umgebung waren mir alle bestens bekannt.
An eine dieser Tierarztrechnung kann ich mich beim Aktenstudium auch heute
noch besonders gut erinnern.
Es war im Februar und von Osten wehte ein eisiger Wind übers Land. Das
Thermometer zeigte – 9 Grad, im Wind deutlich kälter. Gegen halb 10 morgens
rief mein Hundesitter an, den ich wochentags aus beruflichen Gründen für den
morgendlichen Spaziergang gebucht hatte. Entnervt jammert er am Telefon,
dass Otto am alten Bahnhof in ein Loch gekrochen sei und nicht mehr heraus-
kam – so wie immer dachte ich bei mir. Am alten Bahnhof Oberndorf – ich ahnte
nichts Gutes. Also ins Auto gesetzt und hingefahren. Otto war offenbar in einen
gemauerten alten Durchlass Richtung Bahngelände eingeschlieft und gab unter
der Erde Laut. Weit weg war er offenbar schon vom Eingang aus vorgedrungen,
so leise war sein Bellen zu hören. Es war dieses kaum noch zu hörende Bellen
eines tief unter der Erde arbeitenden Hundes, welches ich auch heute noch
immer hasse. Bei uns im Schelderwald ist früher überall Bergbau betrieben
worden und es sind noch viele Stollen und Klüfte vorhanden. Ausgraben im
Fels kann man in unserer Gegend praktisch vergessen. Deshalb wird in dieser
Gegend selten aktiv Baujagd betrieben – Otto wußte das aber nicht.
Ich lief über das alte Bahnhofsgelände etwa 60 m an eine fast 5 m hohe steile
Böschung zur unterhalb liegenden Kreisstraße um zu sehen, ob dort irgend-
wo der Durchlass ausmündet. Im Straßenseitengraben angekommen hörte ich
plötzlich aus dem Gully Hundegebell, recht laut, er konnte nicht weit weg von
mir sein. Also Gullydeckel hochgehoben, Schmutzfänger ausgebaut und wie
schon so oft nach Otto gerufen, der Effekt war – wie immer - gleich Null. Im-
merhin wusste ich jetzt, dass es eine Verbindung vom Einschliefloch zur Straße
gab. Die nächsten jeweils stündlichen Besuche brachten kein Ergebnis, Otto war
bis zum späten Nachmittag im Gully zu hören. Mittlerweile war es Abends 6 Uhr
geworden und es war stockdunkel. Am Bahnhofsdurchlass herrschte Totenstille.
Ich ging zum Einschliefloch, kniete nieder und wollte gerade mit Stirnlampe be-
waffnet in das Loch schauen, als etwas Graues dicht an meinem Gesicht vorbei
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