Über den Wert des lauten Jagens
Für jeden denkbaren Einsatz eines Jagdhundes außerhalb der offenen Feldflur oder
der Wasserjagd ist das laute Jagen auf Spur oder Fährte unverzichtbar. Das ist
eigentlich eine Binsenweisheit, die aber leider noch nicht ins allgemeine Jägerbewußtsein
vorgedrungen zu sein scheint. Die großräumigen Bewegungsjagden auf
nahezu alle Schalenwildarten sind in vielen Revieren zu einer (vielleicht sogar der)
tragenden Säule der Abschusserfüllung geworden. Und dabei spielen die eingesetzten
Hunde die entscheidende Rolle in Bezug auf die Zahl des erlegten Wildes, aber
auch auf die richtige Zusammensetzung der Strecke.
Laut jagende Hunde kann das Wild akustisch orten und sein Fluchtverhalten darauf
einstellen. Es wird nur selten kopflos flüchten oder in Panik geraten, sondern versuchen,
durch Widergänge und Fluchtschleifen seine Verfolger abzuschütteln. Den auf
den bekannten Wechseln vorpassenden Jägern kommt solches Wild zwar in hoher
Anspannung, aber doch meist in verhaltenem Tempo, das ein sicheres Ansprechen
und einen verantwortbaren Schuss ermöglicht. Und die Rudel-/Rottenstrukturen
bleiben erhalten und erlauben dem verantwortungsbewussten Jäger meist ein verlässliches
Erkennen etwaiger Mutterfunktionen bei Alttieren, Bachen und Ricken.
Ganz anders ist das beim Einsatz stumm jagender Hunde. Die akustische Ortung
fehlt gänzlich, die Hunde stürmen stumm in Rudel oder Rotte hinein und versetzen
das Wild in extreme Panik. Kälber werden von ihren Alttieren, Ricken von den Kitzen
und Bachen von ihren Frischlingen getrennt. Kein verantwortungsbewusster Jäger
kann, auch bei etwaiger Freigabe, beim Einsatz stummer Hunde auf das alleine
heran stürmende Alttier schießen, weil er nicht erkennen kann, ob dieses Tier nicht
führt oder ob es nur kurzzeitig durch die Hunde von seinem Kalb getrennt wurde.
Der Einsatz stumm jagender, hochläufiger und vielleicht auch noch sehr wildscharfer
Hunde erfüllt aus meiner Sicht eindeutig den Straftatbestand der seit langer Zeit bei
uns verbotenen Hetzjagd. Aus der großen Zahl der in Deutschland beheimateten
Vorsteh- und Stöberhunde (die Bracken haben dieses Defizit naturgemäß nicht) hat
eigentlich nur eine Rasse züchterische Probleme mit dem Laut, und das ist der Weimaraner.
Möglicherweise spricht das für das Leithundblut, das bei der Entstehung
beziehungsweise Entwicklung dieser schönen und ansonsten ausgesprochen leistungsstarken
Rasse eine Rolle gespielt hat. Weil aber nicht alle Weimaraner stumm
jagen – es gibt durchaus spur- und/oder sichtlaute Vertreter dieser Rasse – wäre
dieses Manko gewiss züchterisch zu verbessern. Ich möchte den Weimaraner bei
dieser „Laut“ – Betrachtung um Gottes Willen nicht als Negativ-Modell hinstellen.
Man hat, aus welchen Gründen auch immer, in seiner Zuchtgeschichte lange Zeit
den Laut vernachlässigt und ihm offenbar keine züchterische Bedeutung beigemessen.
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Konrad Andreas, einer der führenden Kynologen des vorigen Jahrhunderts, schrieb
einmal (nachzulesen im HIRSCHMANNBRIEF 1959): Fährtelaut dominiert über
Sichtlaut, Sichtlaut über stumm. Sichtlaut mal Sichtlaut kann deshalb Sichtlaut und